Zehn Jahre traute Zweisamkeit hinterlassen ihre Spuren. So auch im Leben der Nina Engele, die sich zusammen mit ihrem Lebensgefährten, nunmehr Mann (wir erfahren an mehreren Stellen, dass nun endlich geheiratet wird), auf sexuelle Entdeckungsreise (oder doch nur zum Ankern im Ehehafen) gehen.
Wie beim Stationenball hantelt sich die Autorin über 33 Sexperimente und lässt uns an ihren Erfahrungen samt Resumée am Ende jedes Abenteuers teilhaben.
Nina Engele muss man lassen, dass sie Situationen sehr ehrlich beschreibt. Sie lässt Peinlichkeiten Peinlichkeiten sein und erspart uns auch nicht Einblicke in die Abgründe der Pseudosexualität (Allein schon die Anspielung auf Natursekt Spiele lässt unseren Magen rebellieren).
In diesem Buch sollen mögliche Wege aufgezeigt werden, wie Paare wieder zu einem erfüllterem Sexleben finden können. Nicht logisch erscheint uns, dass man den Partner zuerst geil macht (Kapitel „Das erste Rollenspiel“) und dann nahtlos und ohne Sex zum Kuscheln übergeht. Wir waren der Meinung, dass die Situation nicht besonders lust-fördernd sein konnte, wenn Nina Engele dann doch keinen Sex mit ihrem „Liebsten“ haben wollte. Im Interview erklärte die Autorin der die-frau ihre Sicht der Dinge.
Die-Frau: Im Bild.de online Artikel „Wie viel schlechten Sex verträgt die Beziehung?“ werden sie folgendermaßen zitiert: „Super-Freund und Super-Lover, laut Nina Engele kein stummer Wunsch: „Nein, das wäre ja furchtbar! Nur hier, in diesem Falle bekommt Lilly nicht beides. Aber natürlich gibt es Beziehungen, die sehr geordnet sind und in denen die Paare ganz wundervollen Sex haben. Glückspilze!“
Bedeutet das, dass Sie sich nicht zu diesen Glückspilzen zählen und daher „Auf die Plätze, fertig, Sex“ geschrieben haben?
Engele: Nein. Es bedeutet, dass es viele Paare gibt, die darunter leiden, eine Flaute im Bett zu haben. Das Zitat oben bezieht sich auf meinen ersten Roman „Höschenblues“ um den es im Interview ging. Natürlich habe ich „Auf die Plätze, fertig, Sex!“ geschrieben, weil Sex auch in meiner Beziehung für Diskussionsstoff gesorgt hat. Sonst wäre das Projekt nicht nötig gewesen.
Die-Frau: Im Kapitel „Das erste Rollenspiel“ schreiben Sie „Seine Hände umfassen meinen Po und drücken mich fest auf seine Anzughose. Ich bebe innerlich, muss die Situation aber nicht zwingend auf Sex hinauslaufen lassen. Küssen kann so sexy sein. Und einfach nur feucht auf meinem Liebsten zu sitzen, ohne ein Muss für Sex erinnert mich daran, wie es mit 17 war.“
Wie sieht das Ihr Liebster? Findet er Küssen bisweilen auch geiler als Sex?
Engele: Ja. Man kann so viel mehr miteinander anfangen, es muss nicht immer auf den Akt an sich hinauslaufen. Paare können so lernen, wieder miteinander zu spielen.
Die-Frau: Sex ist doch nur dann gut, wenn auch beide zum Höhepunkt gelangen. Wo kein Höhepunkt, da auch kein Sex. Wie sehen Sie das?
Engele: Absolut falsche Einstellung. Beim Sex geht es nicht immer zwingend um den Orgasmus. Natürlich ist es super, wenn beide zum Höhepunkt gelangen, aber es gibt unzählige Frauen, die keinen Orgasmus beim Sex bekommen (können). Sollen die etwa auf Sex verzichten?
Die-Frau: In Ihrem Buch geht es auch um Ihre Hochzeit. Wie hat die Ehe ihr Sexualleben beeinflusst?
Engele: Wir sind erst seit drei Monaten verheiratet. Ich kann leider in Bezug auf die Ehe noch keine längeren Erfahrungswerte nennen. Aber wir kennen uns ja schon seit 10 Jahren. Ich meine, das kommt einer Ehe ziemlich nahe.
Die-Frau: Bei welcher der von Ihnen erprobten Varianten erlebten Sie den intensivsten Orgasmus?
Engele: Nach dem Besuch im Peitschenhandel, Kapitel 8.
Das Buch ist eine kurzweilige Lektüre, die man immer wieder zur Hand nehmen kann, um ein weiteres Kapitel zu erforschen. Es wird die Leserin zwar nicht im eigenen Liebesleben voranbringen, aber auch die voyeuristische Freude am Scheitern Anderer birgt eine gewisse Befriedigung in sich. Das beständig entzückende an diesem Buch sind die zahlreichen Fotos der Autorin.
Während die Autorin in ihrem Werk kein Problem damit hat, zu beschreiben, wie sie ohne Höschen durch die „Rechtsabteilung eines Wirtschaftskonzerns" hüpft, wollte sie uns im Interview nicht verraten, wie sich ihr Job als Wirtschaftsanwältin mit ihren Büchern und Kolumnen verträgt. Ihre Tätigkeit als Anwältin will Nina Engele da heraushalten. Eine gewisse Inkonsequenz tritt hier zu Tage.
Es werden jedenfalls zahlreiche Facetten von Sex und Nicht-Sex am Selbstversuch gezeigt. Vielleicht findet die eine oder andere Leserin etwas, das sie gerne nachmachen möchte, vielleicht hilft auch einfach die Gewissheit, dass die Flaute im Bett nach mehreren gemeinsamen Jahren kein Einzelschicksal ist und löst so die eine oder andere sexuelle Blockade.
Wir sind immer noch der Meinung, dass nur Sex, der beide zum Orgasmus führt, erfüllter Sex ist und so regen wir die Autorin an, sich vielleicht im nächsten Buch auszuziehen, um mehr Orgasmus im Bett zu haben. Den Spaß findet man relativ leicht, die Befriedigung leider sehr schwer.
KWH
Fotocredits Stefanie Brandenburg
320 Seiten | Taschenbuch
ISBN 978-3-86265-326-3
Originalausgabe | 9,95 EUR (D)
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2013
www.schwarzkopf-schwarzkopf.de